Silke in Südafrika


Wieder da aus Afrika – und schon wieder weg! :)
15. September 2010, 11:41 pm
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Ein kurzer Abschlussbericht ueber ein Jahr in Suedafrika, das viel zu schnell verging

Ich sitze gerade im Wohnwagen, befinde mich auf einem kleinen Campingplatz in Nijmegen – mitten im Wald – und es regnet und regnet und regnet… Ende August hat mein Studium hier begonnen und eigentlich sollte ich gerade damit beschäftigt sein, zwei Kapitel aus Potters „Geographies of Development – An Introduction to Development Studies“ zusammenzufassen und zu analysieren (alles auf Niederländisch versteht sich). Jedenfalls muss ich feststellen, dass meine Gedanken beim Lesen des Textes immer wieder abschweifen und ich mich frage, was meine Freunde in Südafrika wohl gerade machen, wie es den neuen Freiwilligen wohl gefällt in Groot Marico und ob es dort mittlerweile schon Frühling geworden ist. (Wobei Letzteres eigentlich egal ist, die Sonne scheint ja sowieso immer…).

Ja, man kann sagen, dass ich das alles ganz schön vermisse. Vor allem die Freiheit, die ich in Südafrika leben durfte und die einem die Möglichkeit gegeben hat, sich mal auf völlig andere Dinge zu konzentrieren. Das andere Empfinden von Zeit und die Tatsache, dass dadurch ganz andere Dinge von Bedeutung sind: soziale Beziehungen, im Jetzt leben, die Schönheit der Natur, Spirituelles und Magie, das Leben genießen und sich nicht ständig Sorgen machen über Gestern und Morgen.

Gerade in den letzten drei Monaten meines Aufenthalts durfte ich noch so viel Spannendes erleben. Ich habe lange Zeit im Township gewohnt, dort die Fußball-WM zusammen mit meinen Freunden verfolgen dürfen und die herrliche, ausgelassene Stimmung genossen. Ich bin mit anderen deutschen Freiwilligen zu den Viktoriafällen in Simbabwe gereist und habe die atemberaubend schöne Natur bestaunt. Auch während meiner Reise durch Botswana danach, ist mir bewusst geworden, was für ein spezielles afrikanisches Land Südafrika durch seine besondere Geschichte eigentlich ist. In Simbabwe und Botswana habe ich mich nämlich wie nach Tansania zurückversetzt gefühlt, schätzungsweise aus dem Grund, weil in den beiden Ländern alles noch ähnlich „ursprünglich“ ist wie in Tansania. Es war ohne Frage eine einmalige Erfahrung, so ganz allein durch Botswana zu reisen ohne einen wirklichen Plan, einfach loszureisen und zu sehen, was sich ergibt. Dadurch lernt man die interessantesten Menschen kenn und erlebt die abenteuerlichsten Dinge. Highlight war wahrscheinlich, als ich zusammen mit einem Einheimischen mit einem Kanu durch das Okavango-Delta geschippert bin, wir dann auf einer Insel irgendwo im Nirgendwo spazieren gingen und plötzlich ein Elefant aus dem Gebüsch stapfte, woraufhin der Typ dann nur ganz trocken zu mir meinte „Don’t run“. Okay!

Wer sich jetzt fragt, wie leichtsinnig man eigentlich sein muss, alleine als Mädchen durch Afrika zu reisen, dem muss ich sagen: Ja, okay, es ist schon verrückt und es gehört auf jeden Fall eine gewisse Portion Mut dazu, aber wenn man nicht naiv ist und gut auf sich aufpasst, dann ist es eigentlich ganz und gar ungefährlich. Natürlich kann immer etwas passieren, aber das kann es in Deutschland genauso gut.

Imme und ich sind aber doch beide zu dem Schluss gekommen, dass man unser gemeinsames Südafrika-Jahr unter das Motto „Mehr Glück als Verstand, aber trotzdem genau richtig“ stellen kann. In so einigen Situationen während unseres Jahres hatten wir nämlich eindeutig mehr Glück als Verstand und mindestens fünf Schutzengel, die immer auf uns aufgepasst haben, aber das ist uns dann auch immer erst hinterher bewusst geworden und in der Situation selber war das eigentlich alles ganz normal so und wie das in Afrika halt so ist, ergeben sich die Dinge halt einfach, ohne das man sie groß hinterfragt.

Über eben dieses „Wie-das-in-Afrika-so-ist“, wollte ich dann unbedingt noch mehr lernen und bin deshalb für einige Wochen ins Township gezogen. Ich wollte einfach noch näher dran sein an den Menschen dort und versuchen noch mehr zu verstehen von den Dingen, die für uns Mitteleuropäer eigentlich gar nicht zu verstehen sind. Selbst für mich ist es unmöglich gewesen, die Kultur dort komplett zu verstehen. Und doch sind einem gewisse Dinge klarer geworden und mir die Menschen in dieser Zeit so sehr ans Herz gewachsen, dass solche Dinge wie, dass es dort zum Beispiel keine Dusche gab oder es nachts bitterkalt war, schnell zur Nebensache wurden. Ich habe beispielsweise gelernt, dass materielle Armut nicht zwangsläufig die Lebensqualität oder -freude der Menschen beeinträchtigen muss, und dass Geld zwar Möglichkeiten eröffnet, aber nicht alles ist im Leben. Viel zu oft musste ich nämlich – leider – auch erleben, dass das Thema „Geld“ auch vieles verkomplizieren und kaputt machen kann.

Obwohl ich den Südafrikanern, die mich nach Geld gefragt haben (und das immer und immer wieder) erklärt habe, dass ich zwar weiß bin und aus Deutschland komme, dass das aber nicht heißt, dass ich reich bin und Geld im Überfluss besitze, musste ich nach meiner Rückkehr doch feststellen, dass das nicht ganz stimmt. Natürlich ist der Standard hier in Deutschland einfach ein anderer und viele wissen den alltäglichen Luxus einfach gar nicht mehr zu schätzen. Wenn man ein Jahr lang in einfachsten Verhältnissen gelebt hat, dann sieht man diese „Selbstverständlichkeiten“ mit ganz anderen Augen.

Was ich in Südafrika auch gelernt habe, ist, dass man in der westlichen Welt, vielleicht durch die technischen Fortschritte und all die elektronischen Geräte, viele Dinge verlernt hat oder viele Dinge in Vergessenheit geraten sind. Statt sich abends mit Freunden zu treffen oder mal die Oma zu besuchen, um sie zu fragen wie es ihr geht, hockt man vorm Fernseher oder surft im Internet. Statt nach draußen zu gehen und die Natur zu genießen, beschwert man sich über das schlechte Wetter und bleibt lieber drinnen. Generell fällt mir jetzt erst so richtig auf, wie stark individuell unsere Lebensweise konzentriert ist, während man im afrikanischen Township natürlich gar keine andere Chance hat, als kollektiv zu leben. Es bleibt einem wirklich gar keine andere Alternative, denn so etwas wie „Privatsphäre“ gibt es dort in den kleinen Blechhütten mit ihren hauchdünnen Wänden überhaupt nicht. Alles wird geteilt und Lästern tun die Menschen dort genauso wie hier.

Anfangs war es natürlich eine echte Umstellung, rund um die Uhr von Leuten umgeben zu sein und keine fünf Minuten am Tag alleine für sich zu sein. Am Ende habe ich mich aber richtig wohl gefühlt und es ging mir sogar sehr gut damit. Ich muss jetzt erst wieder lernen, damit klarzukommen, dass ich während des Studiums wahrscheinlich sogar ziemlich viel Zeit alleine verbringen werde, um zu lesen, lernen, Hausaufgaben schreiben – Studieren eben.

Generell gibt es für mich immer noch so einiges an Kulturschock zu verarbeiten. Etwas, womit ich eigentlich gar nicht gerechnet hatte, da ich ja schon mal nach einer mehrwöchigen Tansaniareise nach Deutschland zurückgekehrt bin. Trotzdem war ich ganz schön geschockt, zum Beispiel von den leeren Straßen in meinem Heimatdorf: alles spielt sich drinnen ab hinter dicken Wänden und ist irgendwie so anonym. Außerdem habe ich mich so klein gefühlt wegen all den hohen Häusern und Bäumen. Die feuchte Luft war allerdings toll, und all die vertrauten Gerüche, die man vorher nie so bewusst wahrgenommen hatte: der Geruch von Maisfeldern, von feuchtem Gras oder nassem Waldboden – einfach herrlich! Noch etwas Erstaunliches: Alles ist so unglaublich sauber in Deutschland und die Anziehsachen, die die Menschen tragen, sehen alle so neu und noch kaum getragen aus.

Überfordert war ich – und bin ich auch immer noch – von den vielen jungen Menschen, die auch hier in Nijmegen studieren und von der Tatsache, dass es jetzt so viele Dinge zu tun und zu organisieren gibt, die sich nicht von alleine regeln. Mit dem typisch afrikanischen „way of life“ oder mit dem Motto von Immes Vater „Lass es fließen“ würde man hier nicht weit kommen. Leider.

Trotzdem bin ich froh und dankbar, über alles, was ich in Südafrika erleben durfte. Ich habe wirklich viel gelernt, nicht nur über das Land und die Leute, vor allem auch über mich selbst. Ohne Zweifel hat mich dieses Jahr verändert und ohne meine Erfahrungen dort, säße ich jetzt nicht hier, vertieft in ein Buch mit dem viel sagenden Untertitel „An Introduction to Development Studies“. Ich habe nämlich herausgefunden, dass es mir auf Dauer nicht reichen würde „nur“ Lehrerin zu sein. Ich meine, das ist ein toller Beruf und es hat mir auch ohne Frage großen Spaß gemacht, unsere After-School-Schüler zu unterrichten. Aber dennoch hätte ich dann das Gefühl, auf dieser Ebene stehen zu bleiben, obwohl ich doch noch so viel mehr wissen will über diese Welt. Mein großes Interesse an Mensch und Kultur hat mich letztendlich dazu gebracht „Kulturelle Anthropologie und Entwicklungsstudien“ an der Radboud Universität in Nijmegen zu studieren und ich hoffe, dass ich dadurch irgendwann einmal diese Welt ein bisschen besser verstehen kann. Vor allem aber hoffe ich, dass ich dadurch noch öfter die Möglichkeit haben werde, solche Erfahrungen wie in Südafrika letztes Jahr zu machen.

Wie Sie sehen, ein Jahr weltwärts zu gehen, hat mein Leben nachhaltig beeinflusst und ich möchte meinen Abschlussbericht deshalb mit einem Zitat von einem gewissen Mr. Johnston beenden, der schon 1984 etwas sehr Wichtiges erkannt hat:

“World understanding is fundamental to world peace and ultimately to world survival. Ignorance leads to the development of stereotypes, negative reactions to other peoples and cultures which breed hostility. Geographies [and development] must be used to break down those barriers of ignorance.”

Wow, wer bis hierhin gelesen hat ist echt gut! 🙂 Nach so viel Text, kommen dann jetzt auch ein paar Fotos.

Eine Reise durch Simbabwe:

Ich glaube, wir waren fast 30 Stunden mit diesem schicken, orangen Bus unterwegs. Auf dem T-Shirt des Busfahrers stand: „Zimbabwe is No 1 – I travel orange!“ 🙂

Hier sieht man, wie wir bereits im kleinen Oertchen VicFalls angekommen sind und vom Backpackers aus die Gegend erkunden – natuerlich auf der Ladeflaeche eines Bakkies! 🙂

Ein wenig kitschig, dieses Bild, aber es sah dort wirklich so aus! 🙂

Meine Reise durch Botswana:

Mit einem Kanu quer durch das Okavango-Delta…

…und zwischendurch Besuch von einem Elefanten! 🙂

Dann mussten Imme und ich uns irgendwann wohl oder uebel verabschieden.

Verabschieden vom Early-Learning-Centre und all den knuffigen Kindern:

Verabschieden von unseren Freunden aus der Location:

Verabschieden von userem Mentor Arno:

Und wieder Zuhause…

Mein Zimmer, das nach dem Kofferauspacken noch ein bisschen afrikanischer geworden ist. (Man beachte meine heissgeliebte Djembe-Trommel, die ich, wenn ich gross bin, heiraten werde…)

Bloed nur, dass ich mich dazu entschlossen habe in Holland zu studieren und deshalb kaum Zuhause bin im Moment. Studieren ist necht anstrengend, haette mir das vielleicht mal jemand vorher erzaehlen koennen? 😉

Momentan wohne ich ja noch auf dem Camping-Platz, aber in zwei Wochen werde ich dann ins Studentenwohnheim ziehen. (Erst in ein Uebergangszimmer und dann ab Januar hoffentlich fest.)

Wer mich besuchen will, ist herzlich willkommen. Ich freu mich! 🙂 Nijmegen ist eine huebsche Stadt mit vielen jungen Menschen und tollen Sachen, die man unternehmen kann. Es gibt in Berg en Dal sogar ein Afrikamuseum! 🙂

Also bis ganz bald in Nijmegen,

Silke (die jetzt keine Afrikasilke mehr ist, aber „Hollandsilke“ klingt irgendwie doof…;))


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Hallo Silke,
ich wünsche Dir alles Gute für Dein Studium. Höre nie auf, von Afrika zu träumen. Es wird Dir in jeder Situation Kraft geben. Ich bin mir sicher, die Sehnsucht wird Dich zurückbringen.
Liebe Grüße
Christa

Kommentar von Christa Müller




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